Notfallsituationen gehören für viele zum Alltag dazu. Nicht nur unterwegs oder im Sport, sondern auch und gerade im Betrieb und in der Einrichtung. Doch selbst im Gesundheitsbereich passiert es immer wieder: ein Mensch bricht zusammen, jemand braucht Unterstützung – und niemand reagiert.
Für Leitungskräfte stellen sich in solchen Momenten zwei Fragen: Welche Verantwortung trage ich selbst und was muss ich sicherstellen, damit mein Team richtig handelt? Es geht um Haltung, Routine und um das rechtliche Fundament der unterlassenen Hilfeleistung.
Führung mit Haltung
Die Pflicht zur Hilfeleistung ist eben nicht nur ein rein juristisches Konstrukt, sondern Ausdruck professioneller Haltung. In jedem Arbeitsfeld, in dem Menschen betreut, gepflegt oder begleitet werden, geht es um mehr als Vorschriften – es geht um Verantwortung füreinander.
Leitungskräfte prägen diese Haltung entscheidend. Sie können ein Klima schaffen, in dem Fragen erlaubt sind und Unterstützung selbstverständlich ist. So lassen sich Unsicherheiten lange, bevor ein Notfall eintritt, vermeiden.
Vorbereitung schafft Gelassenheit
Gut vorbereitete Teams handeln im Ernstfall ruhig und entschlossen. Leitungskräfte können viel dazu beitragen, indem sie realistische Szenarien besprechen, Zuständigkeiten klären und Wissen regelmäßig auffrischen.
Kurze Teamformate wie Briefings, Mini-Trainings oder Fallbesprechungen verankern Abläufe. Denn wer weiß, was zu tun ist, handelt instinktiv richtig und genau das zählt, wenn Sekunden entscheiden.
Ein Moment des Zögerns – und was Führung bewirken kann
Während der Morgenrunde bemerkt eine Pflegekraft, dass ein Bewohner zusammensackt. Für Sekunden herrscht Unsicherheit: wer ruft an, wer bleibt beim Bewohner? Die diensthabende Leitung greift ein, verteilt Aufgaben, beruhigt das Team. Später wird der Ablauf gemeinsam reflektiert – beim nächsten Mal reagiert das Team sofort, ganz selbstverständlich.
Rechtliche Grundlage: § 323c StGB – Unterlassene Hilfeleistung
Nach § 323c StGB ist jede Person verpflichtet, in einem Notfall Hilfe zu leisten, soweit dies zumutbar und ohne erhebliche Eigengefährdung möglich ist. Das gilt im öffentlichen Raum ebenso wie innerhalb von Einrichtungen und Diensten.
Für Organisationen im Gesundheits-, Pflege- und Sozialwesen bedeutet das zweierlei:
- Mitarbeitende müssen im Ernstfall tätig werden – mindestens den Notruf wählen, Hilfe organisieren oder absichern.
- Leitungskräfte und Träger müssen sicherstellen, dass Mitarbeitende dazu befähigt sind – durch Schulungen, klare Abläufe und dokumentierte Unterweisungen.
Fehlen diese Strukturen, kann das individuell und organisatorisch relevant werden.
Organisatorische Verantwortung der Leitung
Wer eine Einrichtung oder einen Dienst leitet, trägt Verantwortung dafür, dass in Notfällen keine vermeidbare Hilflosigkeit entsteht. Konkret heißt das:
- Mitarbeitende wissen, was zu tun ist (Notruf, Alarmkette, Ersthelfer rufen).
- Erste-Hilfe-Schulungen und Wiederholungen erfolgen nachweislich.
- Notfallabläufe und Zuständigkeiten sind im QM klar geregelt.
- Nach Vorfällen wird geprüft, ob Schulungs- oder Kommunikationsmängel vorlagen.
Fehlt diese Grundlage, drohen haftungs- oder aufsichtsrechtliche Folgen – etwa aus Organisationspflicht (§ 823 BGB) oder Aufsichtspflicht (§ 130 OWiG).
Pflichten für Leitungskräfte auf einen Blick
- Organisationspflicht: Abläufe, Zuständigkeiten und Alarmwege festlegen und dokumentieren.
- Schulungspflicht: Mitarbeitende regelmäßig in Erster Hilfe & Notfallverhalten unterweisen (empfohlen: mind. alle 2 Jahre).
- Nachweispflicht: Schulungen und Ersthelfer-Benennungen schriftlich belegen.
- Aufsichtspflicht: Nach Zwischenfällen Abläufe überprüfen und nachsteuern.
- Eigen- & Fremdschutz: Hilfe ohne erhebliche Selbstgefährdung leisten (§ 323c StGB).
Erste Hilfe in der Praxis – was wirklich zählt
Schon einfache Maßnahmen genügen – und sie können Leben retten:
- Notruf 112 wählen und dranbleiben.
- Andere gezielt ansprechen: „Sie dort in der roten Jacke – holen Sie bitte den AED!“
- Ruhig bleiben, bei der betroffenen Person bleiben, bis Hilfe eintrifft.
Fehler sind erlaubt – Passivität nicht.
Fazit: Verantwortung mit Klarheit und Vertrauen
Leitungskräfte tragen in Notfallsituationen eine besondere Verantwortung – rechtlich, organisatorisch und menschlich. Diese Verantwortung lässt sich nicht abgeben, aber gut gestalten. Wer Teams informiert, befähigt und unterstützt, schafft Sicherheit für alle Beteiligten – und begegnet künftigen Situationen mit Ruhe und Zuversicht.
Häufige Fragen zur Hilfeleistung im Gesundheits- und Sozialwesen
Gilt § 323c StGB auch im Dienst?
Welche Verantwortung habe ich als Leitung, wenn Mitarbeitende nicht helfen?
Wie kann ich mich als Träger absichern?
Was passiert, wenn ich als Leitung gar nichts tue, obwohl Abläufe fehlen?
Wie oft müssen Mitarbeitende unterwiesen werden?
§ 323c StGB – Unterlassene Hilfeleistung (Gesetzestext)
Wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not nicht Hilfe leistet, obwohl dies erforderlich und ihm den Umständen nach zuzumuten ist, insbesondere ohne erhebliche eigene Gefahr und ohne Verletzung anderer wichtiger Pflichten möglich wäre, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.